Die Cyber-Resilienz von morgen – proaktiv statt reaktiv

15 Juli 2025

Bei der Jahrestagung des Forschungsinstituts Cyber Defence und Smart Data (CODE) am 8. und 9. Juli 2025 kamen weit über 500 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Bundeswehr, Behörden und Wirtschaft zusammen, um sich über aktuelle Fragestellungen der Cyber-Resilienz auszutauschen und gemeinsam einen Blick in die Zukunft der Cybersicherheit zu werfen.

Nach der Begrüßung durch den Vizepräsidenten der Universität der Bundeswehr München (UniBw M), Prof. Karl-Heinz Renner, gab der Leitende Direktor von CODE, Prof. Wolfgang Hommel, den Teilnehmenden der Jahrestagung einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen am Forschungsinstitut. Neben drei neuen Fachgruppen konnte man sich bei CODE in den zurückliegenden zwölf Monaten über neue Forschungsprojekte, insbesondere im Bereich der Quantentechnologien, freuen. Auch die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz hob er hervor. So wird ab Januar 2026 eine neue KI-Vertiefungsrichtung im Masterstudiengang Informatik an der UniBw M angeboten. Darüber hinaus ist an der Universität auch die Einrichtung eines interdisziplinären KI-Kompetenzzentrums geplant.


Vizepräsident Prof. Renner (l.) und der Leitende Direktor CODE Prof. Wolfgang Hommel begrüßen die Gäste zu Beginn der Jahrestagung
(© Universität der Bundeswehr München/Siebold)


Keynote Speaker aus Bundeswehr, Behörden und Industrie

In einer Zeit, in der Cyberbedrohungen zunehmend komplexer und raffinierter werden, ist es unerlässlich, nicht nur auf Angriffe zu reagieren, sondern ihnen proaktiv entgegenzuwirken. Cyber-Resilienz bedeutet, Systeme so zu gestalten, dass sie nicht nur Angriffen standhalten, sondern sich auch schnell von ihnen erholen können. Dies erfordert ein Zusammenspiel von Technologie, Prozessen und Menschen. Cyberangriffe, Datenlecks und Systemausfälle sind längst keine Ausnahmeerscheinungen mehr – sie sind Realität. Und diese Realität verlangt nach einem Paradigmenwechsel: Weg vom bloßen Krisenmanagement, hin zu einer strategischen Vorsorge. Hierfür ist eine technologische Zeitenwende erforderlich. Innovative Technologien müssen schnell identifiziert und in die Anwendung gebracht werden, um eine kriegstüchtige und zukunftsorientierte Bundeswehr sicherzustellen. In seiner Keynote betonte Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber-/Informationstechnologie im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), dass hierfür auch mehr Risikobereitschaft nötig sei.

Auch die Wissenschaft ist zunehmend von der Zeitenwende betroffen. In einer von globalen Spannungen geprägten Welt rückt sie als hochwertiges und attraktives Ziel zunehmend in den Fokus von Angreifern. Doch wie kann der Spagat zwischen Wissenschaftsfreiheit und Sicherheit gelingen? Barbara Kluge, Ministerialdirigentin im Bundesministerium des Innern, betonte in diesem Zusammenhang die Rolle des Staates, der „Verantwortung für den Schutz der Wissenschaft auch im Cyberraum trägt“, und rief zu raschem gemeinsamen Handeln auf.

Anschließend sprach Generalmajor Jürgen Setzer in seiner Keynote zum Thema „(Cyber-) Resilienz heute und morgen“ über die Bedeutung strategischer Voraussicht: „Krieg ist nicht nur ein Innovationswettkampf, sondern auch ein Innovationstreiber“. Bei der Einführung neuer Technologien in der Truppe müsse das Thema Resilienz von Anfang an berücksichtigt werden und das Personal entsprechend ausgebildet und geschult werden. Danach gab Bernd Geisler, Präsident des Landesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI), einen Einblick in die „Cyber-Resilienz in Bayern“. Er betonte insbesondere, wie wichtig es ist, auf einen Cybersicherheitsfall vorbereitet zu sein. Neben vorbeugenden Maßnahmen sind daher auch regelmäßige Übungen unerlässlich, die vorab klären, wie im Krisenfall zu handeln ist. Zu diesem Zweck wird das LSI künftig mit dem FI CODE an der Entwicklung und Integration realer Cyber-Sicherheitsvorfälle in Cyber-Range-Trainings arbeiten. Die föderale Perspektive ergänzte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in seinem Vortrag, als Dr. Uwe Klapproth die Wichtigkeit gesamtstaatlicher Kooperation hervorhob und am Beispiel der Übungsserie LÜKEX aufzeigte, wie Bund und Länder den Ernstfall proben. „Mit kluger Resilienz, gemeinsamer Verantwortung und entschlossener Führung können wir den Wettlauf gestalten – nicht nur reagieren“, so Klapproth.


Zwei der Keynote Speaker: Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber/IT im BMVg (l.), und Generalmajor Jürgen Setzer, stellvertretender Inspekteur CIR (r.)
(© FI CODE/Angelika Wagener Fotografie (l.) und Universität der Bundeswehr München/Siebold (r.))


Panel zum Cyber Resilience Act

Prof. Dennis-Kenji Kipker vom cyberintelligence.institute eröffnete mit seinem Vortrag „Warum Security by Design ein Zukunftsthema ist!“ die zweite Hälfte des Nachmittags eröffnet. Gleichzeitig leitete er damit auch thematisch über zur anschließenden Paneldiskussion. Unter der Moderation von Oberstleutnant Katja Büchner (Zentrum Digitalisierung der Bundeswehr und Fähigkeitsentwicklung CIR), diskutierte Prof. Kipker zusammen mit Andreas Witt (Sopra Steria SE), Sabine Griebsch (GovThings), Silvia Reischer (Swiss Institute for Global Affairs) und Andre Hinüber (Airbus Defence and Space) zum Thema „Der Cyber Resilience Act (CRA): Chance oder Risiko für proaktive Resillienzstrategien?“. Bei der Frage, ob der CRA einen limitierenden Charakter hat oder ein Katalysator für notwendige Entwicklungen sein kann, waren sich die Panellisten mehrheitlich einig und „brachen eine Lanze“ für den CRA – trotz gewisser Herausforderungen, die diskutiert wurden. Ebenso sahen die Expertinnen und Experten im CRA eine Chance, Aufmerksamkeit für eine bestehende und viel zu lange vernachlässigte Problematik zu schaffen. Dabei wurde jedoch auch die Gefahr der Überregulierung angesprochen. Zudem wurde über Möglichkeiten und Wünsche zur sicherheitspolitischen Ausgestaltung für den Standort Deutschland gesprochen, bevor die Panellisten letztendlich konkrete Schritte zur Umsetzung aus ihren unterschiedlichen Stakeholder-Perspektiven aufzeigten.

Siegerteams des Ideenwettbewerbs

Ein weiterer Höhepunkt war die Innovationstagung Cyber/IT, bei der innovative Konzepte vorgestellt wurden, die das Potenzial haben, die Cyberabwehr nachhaltig zu verbessern. Der Ideenwettbewerb wird nach dem Prinzip „Innovation outside-in“ zusammen mit dem BMVg durchgeführt. Aus 38 Einreichungen wählte eine Jury die sieben besten für eine Präsentation aus. In siebenminütigen Pitches stellen die Finalisten ihre Ideen dem Fachpublikum der CODE-Jahrestagung vor. Die Ideen reichten von KI-gestützter Deception-Technologie, über jammerresistente Navigation durch Multi-Quantensensor-Systeme bis hin zur Schlüsseltechnologie LLLC (Lightweight Low-Latency Consensus) für vertrauenswürdige PNT (Positioning, Navigation and Timing)-Daten in Echtzeit.

Die abendliche Siegerehrung würdigte die herausragenden Beiträge und zeigte, wie viel Innovationskraft in der Community steckt. Dabei konnten Justus Rischke und das Team der Soron Systems die die Jury überzeugen. Mit ihrer Idee einer kooperativen Navigation von Drohnenschwärmen in Gebieten, in denen globale Satellitennavigationssysteme, wie beispielsweise GPS, nicht verfügbar oder unzuverlässig sind, holten sie sich den Sieg beim Ideenwettbewerb und sicherten sich damit ein Preisgeld in Höhe von 15.000 EUR. Den zweiten Platz belegte das Team von Styx um Jan Jeske („Maßgeschneiderte analoge KI-Chips – sicher, autark energieeffizient und latenzfrei“) und wurde mit 10.000 EUR belohnt. Den dritten Platz, dotiert mit 5.000 EUR, sicherte sich Martin Rick von der Rick Location Solutions GmbH für seine Idee zu „Where GIS meets EMS – Geospatial Intelligence für das elektromagnetische Spektrum“. Auch die Plätze vier bis sieben konnten sich über ein Preisgeld von jeweils 1.000 EUR freuen. Ihre Urkunden erhielten die Ausgezeichneten am Abend im Rahmen des Social Events von Generalleutnant Michael Vetter, mit dem der erste Veranstaltungstag der CODE-Jahrestagung seinen Ausklang fand.


Generalleutnant Michael Vetter (obere Reihe, 5.v.l.) und Volker Eiseler (obere Reihe, r.), beide BMVg, und Prof. Wolfgang Hommel (obere Reihe, 2.v.r.) zusammen mit den Finalisten der Innovationstagung Cyber/IT
(© FI CODE/Angelika Wagener Fotografie)


Vorausschauendes Risikomanagement

Den zweiten Tag der CODE-Jahrestagung 2025 eröffnete Prof. Michaela Geierhos, Technische Direktorin des Forschungsinstituts CODE. „Die Cyber-Resilienz von morgen verlangt einen Wandel im Denken und Handeln – einen Wandel vom 'Feuerlöscher-Modus' zum vorausschauenden Risikomanagement“, so Geierhos in ihren einleitenden Worten, die sie abschloss mit dem Appell „Lassen Sie uns gemeinsam vordenken, statt nur nachzubessern.“ Anschließend übergab sie das Wort an Generalmajor Armin Fleischmann vom Kommando Cyber- und Informationsraum. In seiner Keynote zum Thema „Cyber-Resilienz – Nur wer plant bleibt widerstandsfähig“ verdeutlichte der Kommandeur Unterstützung CIR sowie Abteilungsleiter Planung CIR und Digitalisierung der Bundeswehr anhand aktueller Beispiele den Resilienzgedanken und zeigte Lösungsansätze auf. Sein Kerngedanke hierbei: Wer den Schadensfall mit einplant, ist resilient aufgestellt.

Anschließend gaben zwei Professoren des FI CODE Einblicke in ihre aktuelle Forschung. Prof. Mark Manulis, Inhaber der Professur für Privacy, präsentierte aktuelle kryptografische Forschungsansätze zu Verschlüsselung und Authentisierung, um die Sicherheit in Cloud-Umgebungen zu erhöhen. Maximilian Moll, Professor für Operations Research – Prescriptive Analytics, stellte seine Forschung zum Quantum Machine Learning vor. In einem lebhaften Vortrag machte der Mathematiker dieses sehr abstrakte und komplexe Zukunftsthema für die Zuhörerschaft zugänglich und verdeutlichte zugleich die derzeitigen Herausforderungen und Ungewissheiten in diesem Themenfeld.

Mit dem Thema Quantencomputing ging es nach der Kaffeepause weiter. In seinem Vortrag mit dem Titel „Quantum Safe und Cyber Resilienz – im Zusammenspiel zum Erfolg“ ging Dr. Silvio Dragone von IBM Research auf die drohenden Risiken durch Quantencomputer ein. Diese sind in der Lage, herkömmliche Verschlüsselungsalgorithmen in kurzer Zeit zu knacken. Dragone machte deutlich, wie dringend die Einführung postquantenkryptografischer Standards ist.

Cybersicherheit und Digitalisierung sind Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Zukunft. Dies hat die Europäische Union früh erkannt und mit „Horizon Europe“ und „Digital Europe“ zwei Programme aufgelegt, mit denen Forschung und Entwicklung im Bereich Cybersicherheit bzw. Aufbau und Verbreitung digitaler Kapazitäten sowie die praktische Anwendung innovativer Technologien gefördert werden soll. Dr. Christan Fischer vom DLR Projektträger informierte in seinem Vortrag „Europa? Aber sicher! – Die Rolle des Nationalen Koordinierungszentrums für Cybersicherheit (NKCS)“ über die Arbeit, Vernetzung und das vielfältige Unterstützungsangebot des NKCS, an dem u.a. auch das FI CODE beteiligt ist.

Zu den Vortragenden des zweiten Tages der CODE-Jahrestagung zählte auch Dr. Michael Kissner von der Akhetonics GmbH. Der Gewinner der Innovationstagung Cyber/IT 2023 adressierte in seinem Vortrag “Chip Security & Resilient Semiconductor Supply Chains – Can you Prevent Hardware Backdoors?” die Gefahren von manipulierter Hardware in sicherheitskritischen Systemen. Er zeigte dabei auf, wie insbesondere bei Microchips, die außerhalb von Europa gefertigt werden, unbemerkt Hintertüren (Backdoors) gezielt implementiert werden könnten.

Den Abschluss der Vortragsreihe machte Prof. Bernhard M. Hämmerli, Professor für Informations- und Netzwerksicherheit an der Hochschule Luzern sowie an der norwegischen University of Science and Technology (NTNU). Mit über drei Jahrzehnten in Forschung, Lehre und Beratung zählt er zu einem der Pioniere der europäischen Cybersicherheitsforschung. In seinem Vortrag „Resilienz – Optimieren der pre-und post-loss Maßnahmen für eine sich ändernde Bedrohungslage“ ging Hämmerli eingangs zunächst auf die grundlegenden Angriffspunkte in der IT ein. Anschließend zeigte er Handlungsoptionen und Entscheidungswege im Falle eines Cyberangriffs auf. Auch zeigte er anhand aktueller Umfragen bei Schweizer Unternehmen auf, wie sie sich auf derartige Vorfälle vorbereiten.

Gemeinsam den Herausforderungen der Cybersicherheit begegnen

Nach zwei intensiven Tagen voller inspirierender Vorträge, lebhafter Diskussionen und wertvoller Begegnungen neigte sich die CODE-Jahrestagung langsam ihrem Ende zu. Unter dem Leitthema „Die Cyber-Resilienz von morgen – proaktiv statt reaktiv“ konnte gemeinsam ein Blick in die Zukunft der Cybersicherheit geworfen werden. „Nicht zuletzt möchten wir den Austausch und die Vernetzung hervorheben, die diese Tagung auszeichnen. Die Gespräche in den Pausen, die Diskussionen nach den Vorträgen und die informellen Treffen haben gezeigt, wie wertvoll der persönliche Kontakt für unsere Arbeit ist“, betonte Prof. Michaela Geierhos. „Sei es von der Integration von Quantentechnologien in der Cybersicherheit bis hin zu vertrauenswürdiger KI – die Vielfalt der Workshopthemen spiegelt auch die Komplexität und Dynamik unseres Fachgebiets wider“, sagte Geierhos. Nicht zuletzt dankte sie allen Mitwirkenden an der Jahrestagung – von den Vortragenden über die Fachjury bis hin zu den Unterstützerinnen und Unterstützern sowie den zahlreichen helfenden Händen im Hintergrund der Veranstaltung. Auch kündigte Prof. Geierhos bereits die nächste CODE-Jahrestagung für den 14. und 15. Juli 2026 an, bei der auch im kommenden Jahr wieder gemeinsam die Herausforderungen der Cybersicherheit und Lösungen für eine resiliente digitale Zukunft diskutiert werden.


Auf der die Jahrestagung begleitenden Ausstellung im Foyer Audimax präsentieren sich zahlreiche namhafte Unternehmen und das Forschungsinstitut CODE dem Fachpublikum
(© FI CODE/Angelika Wagener Fotografie)


Titelbild: Viele Gespräche über die Zukunft der Cybersicherheit auf der Jahrestagung CODE 2025: Auf diesem Panel diskutieren Prof. Dennis-Kenji Kipker, Andre Hinüber, Sabine Griebsch, Silvia Reischer, Andreas Witt und Oberstleutnant Katja Büchner (v.l.n.r) zum Cyber Resilience Act der EU
(© FI CODE/Angelika Wagener Fotografie)