Wahrnehmung dynamischer Objekte mit Radarsensorik: Modellierung und Zustandsschätzung

Fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme bauen zunehmend auf einer zentralen Umfeldwahrnehmung auf. Diese muss nicht nur statische und dynamische Objekte in der Umgebung robust und präzise erfassen, sondern unterliegt auch ökonomischen Auflagen. Die heterogene Sensordatenfusion ermöglicht die Nutzung von kostengünstiger Sensorik, indem sie die Stärken unterschiedlicher Messprinzipien kombiniert, ihre Schwächen aber neutralisiert. Während für LiDAR-Sensorik und Kameras geeignete Messmodelle verfügbar sind und ihre Messungen aufgrund ihres optischen Wellenlängenbereichs für den Menschen intuitiv verständlich sind, lassen sich die Messdaten von typischen detektionsgebenden Radarsensoren schwieriger prädizieren. In der Literatur verfügbare Modelle lassen sich nur bedingt anwenden.

Diese Arbeit verfolgt das Ziel, Messdaten von Radarsensoren in die heterogene Sensordatenfusion für das Tracking von dynamischen Objekten, insbesondere Fahrzeugen, zu integrieren. Zunächst werden die dafür nötigen Anforderungen anhand der Herausforderungen der Fusion heterogener Daten aufgezeigt. Eine vorbereitende Recherche greift diverse Ansätze aus der Literatur auf, kategorisiert ihre Methodiken und diskutiert ihr Potenzial. Die Konzeption und die Durchführung von Messstudien stellen die argumentative Grundlage und damit den ersten Hauptteil dieser Arbeit dar. Sie beinhalten Algorithmen, die die positionelle und kinematische Messcharakteristik von Objekten automatisiert auswerten und in Korrelation zu verschiedenen Beobachtungssituationen stellen. Auf diesen Auswertungen aufbauend wurde ein physikalisches Messmodell entwickelt, das die Erzeugung der Detektionsmessung durch verschiedene sequenzielle Verarbeitungsschritte abstrahiert. Neben der Simulation der physikalischen Wellenausbreitung und dem Empfang von Reflektionen modelliert es auch sensorinterne Vorgänge wie die Bestimmung des Azimutwinkels und den dafür wesentlichen Einfluss der Radialgeschwindigkeitsmessung. Durch aufeinander aufbauende experimentelle Untersuchungen in der Entwicklungsphase erreicht das Modell eine gute Annäherung an die realen Messdaten und dient als Referenz für Approximationen, die in Trackingalgorithmen integriert werden können. Diese Arbeit schlägt hierfür zwei alternative Verfahren vor. Der erste Ansatz ist die generische Erzeugung von Dempster-Shafer-basierten Evidenzkarten, in denen die Messdaten räumlich eingetragen werden. Durch die Berücksichtigung diverser Sensorcharakteristiken wird dabei auch eine Information über den Raum zwischen Punktmessungen extrahiert. Ein anderes Verfahren baut hingegen stark auf Modellwissen des Objekts auf, um Fahrzeuge mit kostengünstiger Sensorik zu tracken. Dabei wird ein Objekt in verschiedene Komponenten mit individuell beschriebener Messcharakteristik abstrahiert. Die Superposition dieser Komponenten spiegelt dabei die räumliche Messcharakteristik des Gesamtobjekts wider. Für dieses Verfahren wurde ein Filteransatz entwickelt, der eine probabilistische Assoziation einer gegebenen Detektion zu diesen Komponenten durchführt. Für ausgedehnte Objektstrukturen wird zudem eine kontinuierliche Variante vorgestellt. Der Ansatz erreicht trotz hohem Detailgrad eine sehr geringe Rechenzeitanforderung.

Die Arbeit evaluiert schließlich die Trackinggüte anhand von Realdatenbeispielen und schließt mit einer kritischen Diskussion der erreichten Ergebnisse ab.

 

Promotionsausschuss:

Vorsitz:  Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil Michael Schmitt

1. Gutachter: Prof. (i.R.) Dr.-Ing. Hans-Joachim Wünsche

2. Gutachter: Prof. Dr. rer nat. Wolfgang Koch

Tag der Promotionsprüfung:

18.12.2024

Kontakt

Philipp Thomas Berthold M.Sc.

Philipp Thomas Berthold M.Sc.

Wiss. Mitarbeiter
Gebäude 35/400, Zimmer 035/2457
+49 89 6004-3933